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Rousseau, Jean-Jacques

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Lebenslauf

Geboren: 28. Juni 1712 in Genf
Gestorben: 2. Juli 1778 in Ermenonville/Frankreich

Jean-Jacques Rousseau wurde als Sohn eines Uhrmachers in Genf geboren. Seine Mutter verstarb früh; und als sein Vater 1722 aus Genf fliehen musste, begann für Rousseau als Pflegekind eines Pfarrers eine schlimme Leidenszeit mit Bestrafung und körperlicher Misshandlung. 1742 ging er nach Paris und lernte dort die führenden Köpfe der französischen Aufklärung kennen. Seine Geliebte und spätere Ehefrau Thérèse Levasseur schenkte fünf Kindern das Leben, die Rousseau – der auch bedeutende pädagogische Schriften verfasste – allerdings aus finanziellen Gründen ins Waisenhaus gab.
Mit seiner „Abhandlung über die Wissenschaften und Künste“ wurde Rousseau über Nacht europaweit bekannt, doch statt sich zu etablieren, begab er sich in eine Art Fundamentalopposition zu der Gesellschaft, in der er lebte und die er als rettungslos dekadent geißelte. Nach dem Erscheinen von „Émile oder über die Erziehung“ im Jahre 1762 erließen sowohl das Parlament in Paris als auch die Stadtoberen von Genf einen Haftbefehl gegen Rousseau wegen der Propagierung eines dogmenfreien Christentums. Es folgte ein unstetes Wanderleben durch Europa. Ab 1770 wurde Rousseau wieder in Paris geduldet. 1778 folgte er einer Einladung des Marquis de Girardin auf dessen Schlösschen Ermenonville. Hier starb er wenig später.


Bedeutung

Rousseau war Schriftsteller und politischer Philosoph und gilt als einer der wichtigsten geistigen Wegbereiter der Französischen Revolution und als geistiger Begründer des europäischen Sozialismus. Außerdem hat er die Geschichts- und Staatsphilosophie und die Pädagogik des 19. und 20 Jahrhunderts entscheidend beeinflusst.


Lehre und Gedanken

Rousseaus philosophisches Denken und seine Sicht auf den Menschen standen in großem Widerspruch zum Fortschrittsoptimismus der europäischen Aufklärung.
In seiner ersten wichtigen Schrift, der „Abhandlung über die Wissenschaften und die Künste“, wirft er der zeitgenössischen europäischen Gesellschaft Luxusstreben und einen Absturz in die sittliche Dekadenz vor.

„Die Menschen sind böse; eine traurige und fortdauernde Erfahrung erübrigt den Beweis; jedoch, der Mensch ist von Natur aus gut, ich glaube, es nachgewiesen zu haben …“ (Rousseau: „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“, Anmerkung IX)

Dies ist ein wahrlich pessimistisches Menschenbild. Für Rousseau ist also, ganz im Gegensatz zu anderen Aufklärern, der Weg vom Naturzustand zum Gesellschaftszustand ein Weg vom wahren zum verformten Menschen. Die Vergesellschaftung des Menschen, die Errungenschaften der menschlichen Kultur (Wissenschaften und Kunst) und die Ausbildung von Eigentum hätten zum Verfall von sittlichen Werten und zu Ungleichheit und Verteilungskämpfen geführt.

„Konkurrenz und Rivalität auf der einen Seite, Gegensatz der Interessen auf der anderen und stets das versteckte Verlangen, seinen Profit auf Kosten anderer zu machen; alle diese Übel sind die erste Wirkung des Eigentums und das untrennbare Gefolge der entstehenden Ungleichheit.“ (Rousseau: „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“)

Trotz dieser tief greifenden Gesellschafts- und Kulturkritik versucht Rousseau in seinem heute noch viel gelesenen Werk „Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes“ den Entwurf eines Idealstaates. Dieser Entwurf ist vor allem gegen die feudalistische Königs- und Adelsherrschaft seiner Zeit gerichtet und hat die Französische Revolution maßgeblich beeinflusst. Wenn der Einzelne an einem Gemeinwillen (volonté générale) teilhat, der mehr ist als die Summe aller Einzelwillen, bleibt der Einzelne seiner Natur entsprechend frei. Ideal ist also eine Gesellschaft, in der sich alle Menschen einem allgemeinen Gesetz unterwerfen, das sie sich selbst gegeben haben. Damit sei – so Rousseau – sogar eine höhere Freiheit erreicht, als sie der Mensch im Naturzustand hatte.

In dem Bildungsroman „Émile oder über die Erziehung“ tritt Rousseau dafür ein, die Kinder in ihrem Aufwachsen der Natur, d. h. sich selbst zu überlassen und alle zivilisatorischen Einflüsse von ihnen fern zu halten. Dies sollte die urwüchsige, gute Natur des Kindes zum Vorschein bringen.


Hauptwerke von Jean-Jacques Rousseau

„Abhandlung über die Wissenschaften und Künste“ (1750)
Jean-Jacques Rousseau: Abhandlung, welche bey der Akademie zu Dijon im Jahr 1750 den Preis über folgende von der Akademie vorgelegte Frage davon getragen hat: ob die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste etwas zur Läuterung der Sitten beygetragen hat? In der ersten deutschen Übersetzung v. Johann Daniel Tietz. Mit einem Nachw. hrsg. v. Ralf Konersmann u. Gesine Märtens. St. Ingbert: Röhrig, 1997.

„Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“ (1755)
Jean-Jacques Rousseau: Diskurs über die Ungleichheit. Hrsg. v. Heinrich Meier. Paderborn: Schöningh, 4. Aufl. 1997.

„Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes“ (1762)
Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes. Hrsg. von Reinhard Brandt und Karlfriedrich Herb. Berlin: Akademieverlag 2000.
Jean-Jacques Rousseau: Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes. Übers. von Ulrich Bossier. Wiesbaden : Marixverlag 2008.

„Émile oder über die Erziehung“ (1762)
Jean-Jacques Rousseau: Émile oder über die Erziehung. In neuer dt. Fassung besorgt v. Ludwig Schmidts. Paderborn: Schöningh, 13. Aufl. 1997.


Über Jean-Jacques Rousseau

Günther Mensching: Rousseau zur Einführung. Hamburg: Junius 2003.

Dieter Sturma: Jean-Jacques Rousseau. München: Beck 2001.

Bernhard H. F. Taureck: Rousseau. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek: Rowohlt 2009.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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